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Kategorie: Allgemein
Von: Se
Trainerkongress in Dresden mit IGS-Beteiligung
WM-Analyse der Trainer-Elite in Dresden
61. Internationaler Trainer-Kongress (ITK) des Bundes Deutscher
Fußball-Lehrer (BDFL) vom 30. Juli bis 01. August 2018 in Dresden
"WM-Analyse und Zukunftsperspektiven des deutschen Fußballs" lautete
das Thema beim Internationalen Trainer-Kongress des Bundes Deutscher Fußball-
Lehrer, der in den vergangenen Tagen in Dresden stattfand. Rund 1000 Teilnehmer
- darunter die deutschen Fußballtrainer mit A-Lizenz und Fußball-Lehrer-Lizenz
sowie Kollegen aus Europa und Übersee - fanden sich ein, um eine Analyse der
gerade zu Ende gegangenen Fußball-Weltmeisterschaft in Russland
durchzuführen und die Zukunftsperspektiven des deutschen Fußballs näher zu
beleuchten.
Als Teilnehmerin durfte auch ich nebst zwei weiteren Göttinger Kollegen mit dabei
sein, um mich über die neuesten Trends im Trainerwesen zu informieren.
Matthias Sammer, Christoph Daum, Gunnar Gerisch, Stefan Kuntz, Christoph
Metzelder, Volker Finke, Marc Ziegler, Tobias Schweinsteiger – die Liste der Top-
Referenten versprach einen bunten Diskurs.
Doch wer wäre prädestinierter zur Thematik Stellung zu beziehen als Joachim Löw
höchstpersönlich? Und so wurde ein ums andere Mal sowohl von Seiten der
Teilnehmer als auch der Referenten selbst der Wunsch nach Anwesenheit unseres
Bundestrainers deutlich geäußert. Dieser hüllt sich jedoch bedauerlicherweise seit
Wochen in Schweigen und beantwortet nicht einmal mehr Einladungen vonseiten
des BDFL.
Der Tenor des Kongresses lässt sich mit Blick auf vereinzelte Erkenntnisse wie folgt
fachlich zusammenzufassen: Mehrfach kam zum Ausdruck, dass der
Ballbesitzfußball nun nicht plötzlich ausgedient hat – wichtig sind die
Anschlussaktionen und Handlungsziele, die damit verfolgt werden. Der 10.
Querpass, der gespielt wird, bringt uns dem Torerfolg keinen Meter näher, nicht
einmal der statistischen Chance auf ein Tor. Wir wollen Torabschlüsse kreieren,
gezielte „Nadelstiche“ setzen – dazu brauchen wir bestimmte Spielertypen. Die
Gleichbügelei muss aufhören – will ich maximale Verrücktheit und Kreativität auf
dem Platz, Typen, die durch Geistesblitze Spiele entscheiden, muss ich
Exzentrikern eben auch ihren Raum und Entfaltungsmöglichkeiten geben. Unsere
Kultur ist da momentan leider eher „exzentrophob“, es sollen alle gleich behandelt
werden, bei Extravaganzen keimt zügig Neid auf. Dieser wirkt sich wie in anderen
Facetten des Lebens schließlich limitierend in alle Richtungen aus: Der Neider
giftet, der Beneidete macht dicht.
Als großes Stichwort fiel ebenso mehrfach die Forderung nach einer
überzeugenden Mentalität auf dem Platz, also der Notwendigkeit einer
siegeshungrigeren Körpersprache – wenn man bedenkt, dass ein Land wie Kroatien
etwa 4 Mio. Einwohner hat und der DFB als stärkste Organisation allein etwa 7
Mio. Mitglieder zählt, dann ist das ergebnismäßig eine indiskutable Schieflage
hinsichtlich Aufwand und Nutzen. Feuer und Leidenschaft sind nach wie vor nahezu
gleichwertige Erfolgsgaranten wie Qualität und Talent! Es muss wieder eine
spürbar große Ehre sein, mit dem Adler auf der Brust für Deutschland auflaufen zu
dürfen. Auch in dieser Hinsicht zeigt sich der neue Weltmeister Frankreich
vorbildlich: Als Zeichen der Dankbarkeit und verbunden mit der Begründung, dass
man kein Geld dafür nehmen sollte, um für sein Land zu spielen, spendete
beispielsweise der Youngster Kylian Mbappé seine 432.000€ WM-Prämie für einen
guten Zweck.
Auch die sich aktuell noch in den Kinderschuhen befindliche Einbeziehung
sportpsychologischer Aspekte im Training war eines der dominierenden
Themen. Dahingehende Konsequenzen sind nicht etwa auf stigmatisierende Rote-
Couch-Sitzungen zu verstehen, sondern vielmehr grundsätzliche Forderungen
hinsichtlich der Gestaltung von Trainingsprozessen: Während unter
Druckbedingungen (Präzision, Zeit, Komplexität, Belastung) aktuell ca. 70% im
Bereich der Handlungsausführung trainiert werden, bieten sich etwa noch 30%
deutlich optimierbaren Potentials in den vorangehenden Phasen des
Wahrnehmens, Verstehens und Entscheidens gemäß Prof. Dr. Dr. Matthias
Lochmann. Als eine Möglichkeit, um „schnell im Kopf“ zu werden und somit
Exekutivfunktionen zu trainieren, stellte Prof. Dr. Jan Mayer u.a. die Möglichkeit
computergestützter Trainingsformen (das sog. „Gaming“) vor.
Die historische Blamage Deutschlands durch das erstmalige Ausscheiden des
viermaligen Weltmeisters und Titelverteidigers in der Vorrunde ist Anlass genug
für eine zeitnahe und akribisch-schonungslose Analyse: Als Zuschauer und Fan
bleibt nach dieser WM aus deutscher Sicht einstweilen das Gefühl enttäuscht bis
peinlich berührt zu sein. An welchen Stellschrauben lässt sich nun jedoch im
Kindes- und Jugendalter positiv beeinflussend drehen?
Die Basis für kommende Turniere und auch Spielergenerationen wird bekanntlich
in jungen Jahren gelegt. Gerade als Lehrkraft lässt sich auf diese Entwicklung stark
mit einwirken - so z.B. hinsichtlich der Rolle als Spieler, aber auch in Richtung
eines „Junior Coaches“ (Trainer für noch jüngere Spieler).
Besonders überzeugend argumentierte dabei Prof. Dr. Dr. Matthias Lochmann mit
seinen in Theorie und Praxis demonstrierten Impulsen für den Kinder- und
Jugendfußball: Innovative Optimierungsmöglichkeiten des Spielbetriebs als Motor
zur Talententwicklung (Fair-Play-Liga 4.0: das FUNino-System und 3er Ball zur
Erhöhung der Spielpraxis) sowie moderne Spielformen zur Förderung der
selbstständigen und kreativen Spielgestaltung wurden dabei präsentiert. Gerade
in der mehrperspektivischen Rolle als Lehrer und Trainer sollte man immer auf der
Suche nach Schnittmöglichkeiten und Synergie-Effekten sein. Jeder Input im
Schulsektor bereichert in der Arbeit als Trainer und andersrum.
Neben all den fachlichen Themen war jedoch noch ein weiterer Eindruck prägend:
Abseits des Kongress-Saales und des Platzes ließ sich feststellen, dass der
Veranstaltung bei einem gefühlten Männeranteil von 97% viel Homogenität und
wenig Diversität innewohnte