Gunhild Pinkas

„Bäume gibt es außerdem, deren runzlige Rinde ich kenne, und Wasser, dessen Geschmack ich koste. Dieser Grasduft und Sternenschein, die Nacht, Abende, an denen das Herz weit wird — wie könnte ich die Welt leugnen, deren Macht und Stärke ich erfahre? Trotzdem gibt mir alles Wissen über diese Erde nichts, was mir die Sicherheit gäbe, daß diese Welt mir gehört. Man kann sie mir beschreiben, und man kann mich lehren, sie zu klassifizieren. Man kann ihre Gesetze aufzählen, und in meinem Wissensdurst halte ich sie für wahr. Man kann ihren Mechanismus auseinander­nehmen, und meine Hoffnung wächst. Zuallerletzt lehrt man mich, dieses zauberhafte und farbenprächtige Universum lasse sich auf das Atom zurückführen und das Atom wieder auf das Elektron. Das ist alles sehr schön, und ich warte, wie es weitergehen soll. Da erzählt man mir aber von einem unsichtbaren Planetensystem, in dem die Elektronen um einen Kern kreisen. Man erklärt mir die Welt mit einem Bild. jetzt merke ich, daß wir bei der Poesie gelandet sind: nie werde ich wirklich etwas wissen. Habe ich etwa Zeit, darüber entrüstet zu sein? Man ist schon wieder bei einer anderen Theorie. So läuft diese Wissenschaft, die mich alles lehren sollte, schließlich auf eine Hypothese hinaus, die Klarheit taucht in einer Metapher unter, die Ungewißheit stellt sich als ein Kunstwerk heraus. ...“

Albert Camus: Der Mythos von Sisyphos